Essay
Das erste große Heroisierungsprojekt der modernen Demokratiegeschichte: Jacques-Louis Davids Ballhausschwur (1791), Entwurf eines Monumentalgemäldes für das französische Parlament
Im entstehenden Gedächtnis der französischen Demokratie wird ihre Gründung als ein Akt kollektiven Heldentums verstanden und gefeiert. Trotz der Erhebung der Masse ragen dabei aus der Gemeinschaft der Gleichen einzelne Heldenfiguren heraus. Beim Ballhausschwur muss offenbar einer führen, damit alle zu Helden werden können: auch die Betrachter:innen des Gemäldes, die von ihrem bildhaften Gegenüber, dem heldengleich hervorgehobenen Präsidenten der Nationalversammlung, adressiert und quasi in den Kreis der Abgeordneten aufgenommen werden.
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Heroisches Kollektiv mit Anführer - Ballhausschwur von Tobias Schlechtriemen und Ralf von den Hoff
Die Kriegsfotografen der deutschen Propagandakompanien (PK) während des Zweiten Weltkriegs
Heroisierte Personen scheint oft eine Aura von Glanz, Größe und Unnahbarkeit zu umgeben. Abhängig von der Situation kann aber auch der Eindruck von Authentizität, Nahbarkeit und sogar Erotik eine Heroisierung befördern oder sie besonders glaubwürdig erscheinen lassen. Dies war der Fall bei den Angehörigen der deutschen Propagandakompanien (PK) während des Zweiten Weltkriegs. Sie hatten den Auftrag, den Fronteinsatz der Wehrmacht in Zeitungs-, Zeitschriften- oder Filmberichten als heroisch und siegreich darzustellen. Die Heroisierung der Wehrmacht durch die PK gewann an Glaubwürdigkeit, indem auch PK-Angehörige selbst als Helden erschienen.
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Propagandakompanien der Wehrmacht von Vera Marstaller
Alltagsehrungen – Postman’s Park Memorial to Heroic Self-Sacrifice
Zu jeder Zeit gab es Menschen, die spontan eingriffen, um andere Menschen aus Notsituationen zu retten. Erst in den bürgerlichen Gesellschaften des späten 18. und des 19. Jahrhunderts konnte potenziell jeder Mensch unabhängig von Herkunft und Geschlecht zum Helden oder zur Heldin werden. Dies geschah manchmal auch in der Absicht, gesellschaftlichen Zusammenhalt herzustellen.
Den sogenannten Alltagshelden wurden nur selten Denkmäler errichtet – wenn aber doch, dann entsprachen sie in ihrer Schlichtheit den einfachen Verhältnissen, denen die meisten Alltagshelden entstammten. Ausdrucksform und heroische Figur müssen zusammenpassen, damit die Heldenerzählung ein Publikum findet.
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Alltagsehrungen – Postman's Park von Ulrike Zimmermann
Neue Helden an alter Stelle – Stürze von Kolonialdenkmälern I
Wer Statuen heroischer Figur errichten lässt, demonstriert Dominanz über den öffentlichen Raum und verbindet damit eine Botschaft an die Vorüberkommenden. In früheren Kolonien wurden im Zuge der Dekolonisation zahlreiche Statuen gestürzt, die den Helden der Kolonialmächte gewidmet waren. Häufig entstanden bald darauf an selber Stelle neue Denkmäler. Offenbar ist die Form der Heroisierung stabiler als der Held selbst. Das gilt selbst dort, wo diese Form der Heldenverehrung ein Relikt exakt desjenigen Systems ist, dessen Ende der Statuensturz symbolisieren sollte.
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Statuenstürze von Johanna Pink
Helden und Widersprüche - Stürze von Kolonialdenkmälern II
Wenn ein Herrschaftssystem endet, wirkt sich das auch auf die Monumente seiner Repräsentanten aus. „Helden“ eines Systems können über Nacht bedeutungslos werden.
Der Umgang mit Denkmälern in ehemaligen Kolonien erlaubt Aufschluss darüber, ob die Kolonialzeit friedlich oder gewaltsam endete. War die Unabhängigkeit Folge eines Befreiungskrieges, wurden in der Regel sehr schnell alle Statuen der ehemaligen Kolonialherren gestürzt. Friedliche Machtwechsel überstanden die Statuen oft unbeschadet, weil sie niemand mehr für wichtig hielt. In einigen Fällen blieben koloniale Denkmäler absichtsvoll erhalten, weil sie an Menschen und ihre Leistungen erinnern, die auch noch in der Gegenwart gewürdigt werden.
Heute werden in vielen liberalen Gesellschaften postkoloniale Debatten geführt. Es gibt eine starke Tendenz, Personen nur dann für heroisierbar zu halten, wenn ihr gesamter Lebenslauf nach heutigen Maßstäben als moralisch makellos zu bewerten ist.
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Stauffenberg von Georg Eckert