Essay
Kein Held ohne Vorbilder - Stefan George
„Wie ein edler Ritter “ – „wie Cäsar“ – „wie Dante“: Die Bezug- nahme auf ein bekanntes heroisches Vorbild (Präfiguration) kann dabei helfen, eine Heroisierung zu begründen oder zu steigern – selbst dann, wenn gar keine heroische Tat ver- bürgt ist. Besonders in diesen Fällen muss die verehrte Per- son sich fortwährend als außergewöhnlich und unergründ- lich inszenieren. Zu dieser Mystifizierung tragen die Verehrenden aktiv bei. Deren Selbstgefühl wiederum besagt, dass sich die Größe der verehrten Person auch in ihnen manifestiert.
Opernheld als Revolutionsauslöser Die Oper „La Muette de Portici“ Brüssel, 25. August 1830
Fiktionale Helden können so starke Emotionen auslösen, dass das Publikum ihr Vorbild sofort ergreift. Im Extremfall kann eine Revolution die Folge sein, wie im August 1830 in Brüssel.
Kollektives Heldentum – Helden der Arbeit
Mit dem Aufbau sozialistischer Gesellschaften verbunden sind typischerweise „Helden der Arbeit“. Sie zeichnen sich durch eine Übererfüllung der Arbeitsnormen aus und wer- den vom Staat strategisch genutzt, um ideales Verhalten im Sinne der Gemeinschaft von ihren Mitgliedern einzufordern und gleichermaßen zu veralltäglichen. Arbeitsheldentum ist prinzipiell für jeden erreichbar. Die Auszeichnung von Individuen oder Kollektiven soll Ansporn für alle sein. Die Konzeption des Arbeitsheldentums schloss ausdrücklich auch Frauen mit ein. Sie veränderte gesellschaftliche Hierarchien und bot Aufstiegsmöglichkeiten.
Fortschrittsheldin – Walentina Tereschkowa, Kosmonautin
Helden sind nicht nur Krisenmarker, sie können auch Fortschrittslabel sein. Sowjetunion und USA trugen im Rahmen des Kalten Krieges einen Wettstreit um die Eroberung des Weltraums aus. Er war auf beiden Seiten mit staatlich gelenkten Heroisierungen verbunden, die nichts dem Zufall überließen. Die Helden der Raumfahrt sollten die Überlegenheit des jeweiligen politisch-gesellschaftlichen Systems de- monstrieren. Sie hatten zwar keine oder kaum Handlungsmacht, waren aber umso wirkungsvoller als Vorbilder. Die sowjetische Kosmonautin Walentina Tereschkowa (geb. 1937) war für ihre Heldenrolle als erste Frau im Weltall regelrecht gecastet worden. Wichtigste Einstellungskriterien waren Qualifikationen, die für einen Weltraumflug unbedeutend sind: ihre Herkunft, ein tadelloser sozialistischer Lebenslauf und ihre Ausstrahlung.